Schöner Sachverhalt zum §123 StGB

    • Erster Beitrag

    Hallo User!
    Hier mal ein kleiner Sachverhalt zum §123 StGB. Ist so letzte Nacht passiert. Finde den Sachverhalt für das Forum sehr interessant.


    Also, der Bürger A betritt ohne Schwierigkeiten den privaten Parkplatz einer Firma. Am Parkplatz selbst ist ein gut sichbares Schild mit der Aufschrift " Privatgelände, betreten durch Unbefugte verboten" aufgestellt.
    Der A wird auf dem Parkplatz durch den Sicherheitsmitarbeiter S angetroffen und angesprochen.
    Da der S nunmehr von einer begangenen Straftat gem. § 123 StGB ausgeht, hält er den A nach § 127(1)StPO bis zum Eintreffen der Polizei fest. Der A gibt gegenüber dem S seine Personaldaten nicht an.
    Der A ist sehr aufgebracht und gibt gegenüber den vor Ort eingetroffenen Polizeibeamten an, er habe nur einen Zigarettenautomaten auf dem Parkplatzgelände gesucht.
    Auch das Schild habe er gelesen, aber nicht mit einer anschliessenden vorläufigen Festnahme durch den S gerechnet. Der A erstattet daraufhin Strafanzeige gegen den S wegen Freiheitsberaubung und Nötigung.


    Was sagt Ihr dazu?


    P.S.: Die Auflösung gibt es später :D
    Gruss
    Zeitwesen

  • Guten Abend User!


    Hier die Auflösung, die natürlich keinen verbindlichen Rechtsanspruch darstellt.


    Der S hat sich bei der Sachverhaltsschilderung auf das gut lesbar aufgestellte und auch von A wahrgenommene Schild berufen. Mit der Schildaufschrift " PRIVATGELÄNDE, BETRETEN DURCH UNBEFUGTE VERBOTEN" bringt nach Ansicht des S der eigentliche Hausrechtsinhaber seinen Geländestatus und seinen AUSDRÜCKLICHEN WILLEN zum Ausdruck, dass ein UNBEFUGTER eben NICHT das Gelände betritt. Nach Meinung des S inpliziert die Schildaufschrift die AUFFORDERUNG gegenüber einem UNBEFUGTEN (also A) das Gelände erst gar nicht zu Betreten.
    Da der A aber auch noch nach lesen des Verbotschildes das Privatgelände betritt, ging der S von einer Tatbestandserfüllung gem. § 123 StGB aus, da der A ja der schriftlichen Aufforderung nicht nachkam sich vom Privatgelände fernzuhalten.
    Kurz: Das ausgewiesene BETRETUNGSVERBOT kommt nach Ansicht des S einer späteren mündlichen Aufforderung zum Entfernen gleich.


    Hier unterliegt der S aber einem Irrtum, da der/die Tatbestände des § 123 StGB nicht erfüllt sind.
    (Obwohl ja gut gedacht)


    --> Unter befriedetem Besitztum ist ein eingehegter Teil der Erdoberfläche zu verstehen, eine räumliche Verbindung mit einer Wohnung oder einem Geschäftsraum ist nicht erforderlich.
    Das Grundstück muss vom Inhaber nur äusserlich erkennbarer Weise gegen das willkürliche Betreten gesichert sein, etwa durch Hecken, Drähte, Zäune, Mauern o.ä.
    WARNTAFELN als psychische Hindernisse sind nicht ausreichend!


    (Quelle: Fachhandbuch der Polizei, VdP-Verlag, 54. Auflage, Seite 71, Abs. 2.1.1.3)


    -->Der Parkplatz im Fallbeispiel ist durch Blumenbeete eingegrenzt. Mit etwas Geschick kann man zwischen den Beeten auf den Parkplatz gelangen.
    Ich würde mal von einem befriedetem Besitztum gem. o.g. Definition nach h. M. sprechen.


    --> Der BERECHTIGTE (hier der S in Vertretung des Firmeninhabers) muss darüber hinaus eine Aufforderung deutlich werden lassen, dass sich der unbefugt Verweilende zu entfernen hat.
    Sie (die Aufforderng) MUSS ausdrücklich erklärt werden, wobei diese aber nicht nur durch Worte, sondern auch durch konkludentes Handeln erfolgen kann, sofern die Aufforderung, sich zu entfernen, hierdurch deutlich wird.


    (Quelle: siehe oben, Seite 73, Abs. 2.1.5.3)


    -->Der S erteilt dem A keinerlei Aufforderung zum unverzüglichen entfernen, da er sich auf das "aussagekräftige" Schild beruft.


    Ergebnis:
    Somit keine Tatbestandserfüllung gem. § 123 StGB und auch keine Straftat


    Der S. unterliegt hier einem Irrtum gem. §16 ff StGB


    Ansonsten strafbar wegen Freiheitsberaubung und Nötigung i.S.d. StGB


    P.S.: Gute und sachliche Beiträge von Euch. Und alles ohne Zank :D
    Hoffe, ich habe es verständlich rübergebracht...ist ja Montag heute :-)
    Gute Nacht
    Zw

  • Die ganze Sache kann man auch im privaten Recht, angehen. Über die Selbsthilfe oder Selbsthilfe des Besitzdieners. Wie von Zeitwesen schon geschrieben, strafrechtlich eine ganz heisse Sache. Er würde wahrscheinlich eine Anzeige wegen Freiheitsberaubung und Nötigung kriegen.

    Erfahrung und Wissen zählt um die Dienstleistung sinnvoll umzusetzen.

  • qexco


    Zitat von Zeitwesen

    ...Ist so letzte Nacht passiert.



    ...Der A erstattet daraufhin Strafanzeige gegen den S wegen Freiheitsberaubung und Nötigung.


    Sieht so aus, als wäre Anzeige erstattet worden.


    Aber warum sollte der Wachmann seinen Job deshalb verlieren?
    Wenn jeder gleich wegen einer Strafanzeige gegen ihn seinen Arbeitsplatz verlieren würde, wären alleine hier im Forum schon so einige nicht mehr in ihrem Job.

    "Was ich anpacke, klappt immer..... ...manchmal
    Mike Lowrey - Bad Boys


    Team_Signatur

  • Guten Abend User!


    Ich glaube, die Sache wird wegen Geringfügigkeit von der StA eingestellt (aber wirklich nur meine Meinung).
    Meine Erfahrung sagt mir, dass solche Sachverhalte (und gerade mit der nachvollziehbaren Einlassung des S) in der Regel zu keiner Anklage kommt.
    Evtl. liegt hier ein Irrtum gem § 16 ff StGB vor; dann keine Strafbarkeit des S.
    Im schlimmsten Fall die Einstellung des Verfahrens mit Geldbusse.
    Wenn die Vita des S natürlich strafrechtlich belastet ist, kann das auch in die andere Richtung losgehen.


    Ergebnis wird nachberichtet :D


    Gruss
    Zeitwesen

  • Zitat von guardian_bw


    Aber warum sollte der Wachmann seinen Job deshalb verlieren?
    Wenn jeder gleich wegen einer Strafanzeige gegen ihn seinen Arbeitsplatz verlieren würde, wären alleine hier im Forum schon so einige nicht mehr in ihrem Job.


    Weil es in den Eierläden in denen ich tätig war so üblich war. Auftraggeber wollte so einen "Möchtegernpolizist" nicht haben.

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