Samstag vormittag, das Werk war geschlossen.
Der kleine Pförtner saß in seinem Häuschen und trank Kaffee mit Schorsch.
Schorsch und der kleine Pförtner kannten sich schon ein paar Jahre.
Schorsch kam gelegentlich vorbei, man hielt ein Schwätzchen
und Samstag lud der kleine Pförtner Schorsch manchmal zu einem Kaffee ein,
den er im Nebenraum der Pforte genoß.
Lautes Klopfen am Pfortenfenster störte die Idylle.
"Hallo, sieh da, machen sie mal auf"
Der kleine Pförtner kannte die Stimme.
"Ja, Hr. Müller, was machen sie denn heute am Samstag hier ?"
"Ach", erwiderte Hr,Müller, "hab ich sie aufgeweckt, ja ?"
bellte er durchs Guckloch.
Sein Auto hatte er quer auf den Gehweg gestellt.
Der kleine Pförtner spürte, wie sich ein leichtes Gefühl des Zornes langsam in seinem
Hinterkopf ausbreitete.
"Ich muß mal kurz in mein Büro, hab was vergessen"
bellte Hr.Müller
und rumpelte mit seinem ganzen Gewicht ungebremst gegen das Drehkreuz.
Verduzt sah er den kleinen Pförtner an .
Der sah unschuldig zurück .
"Heute ist kein Arbeitstag, deshalb sind die Drehkreuze gesperrt"
erwiderte er.
Hr, Müller rieb sich die schmerzenden Beine und meinte
"Und jetzt, muß aber kurz rein"
Der Normalfall wäre, durch kurzen Knopfdruck das Drehkreuz freizuschalten.
Der Mitarbeiter holt das, was er holen will und ist wieder weg. Der kurze Dienstweg.
Herr Müller hatte sich aber den offiziellen Weg verdient, da er
die vermuteten Schlafgewohnheiten des kleinen Pförtners ungerechtfertigter Weise ins Spiel brachte.
Also der lange Dienstweg.
Der kleine Pförtner fing an, in seiner Schreibtischschublade das Formular "Aufenthalt im Werksgelände außerhalb der Arbeitszeit"
zu suchen. er konnte sich nicht daran erinnern, wann es zuletzt verwendet wurde, aber er wusste, es musste irgendwo noch
ein Exemplar herumliegen.
Nach ein paar Minuten hatte er eines gefunden.
"So, Herr Müller, das hier bitte ausfüllen, dann lass ich sie kurz rein"
meinte er und übergab Herrn Müller ein dreiseitige Formular.
"Das ist leider Vorschrift, Berufsgenossenschaft, sie verstehen......"
Der kleine Pförtner sah seelenruhig zu, wie Herr Müller mit dem Formular kämpfte,
Unter lautem Schimpfen gab Herr Müller das ausgefüllte Teil zurück, der kleine Pförtner
drückte den Sperrknopf und das Drehkreuz ließ Herrn Müller passieren.
Schorsch kam aus dem hinteren teil der Pforte hervor, man sah sich kurz mit stummem einverständnis an,
gab sich stumm die Hand
und Schorsch zog seiner Wege.
Am Auto von Herrn Müller blieb Schorsch kurz stehen, füllte mit geübter Hand ein Zettelchen aus
und heftete es hinter den Scheibenwischer.
Schorsch war ein aufmerksamer Kontaktbeamter.
Die Überwachung des ruhenden Verkehrs lag im sehr am Herzen.
Er mochte Rücksichtslosigkeit und Unhöflichkeit genausowenig wie der kleine Pförtner,
da waren sich die beiden einig.
Der kleine Pförtner winkte ihm noch zu zum Abschied und setzte neuen Kaffee auf.
Zweimal würde er heute Herrn Müller noch wutentbrannt aufschreien hören, dachte er.
Einmal, wenn er beim Verlassen des Geländes wieder gegen das gesperrte Drehkreuz rumpelte
und das zweite Mal, wenn er den Strafzettel hinter seinem Scheibenwischer entdecken würde.
Diese Gedanken erfüllten ihn mit einer wohligen Zufriedenheit, die ganz langsam
das anfängliche Gefühl des Zornes zu überdecken begann.