Notwehr/Selbsthilfe des Besitzdieners

  • Hey Leute,
    ich befasse mich gerade mit dem Thema Selbsthilferechte. Dabei stellt sich mir jetzt die Frage, wann jetzt genau Notwehr oder Selbsthilfe des Besitzers oder beides vorliegt...


    Wenn mir jemand z.B. beim Spazierengehen meinen Rucksack klaut. Dann kann ich ihn mir ja unter dem Aspekt der Notwehr wiederbeschaffen. Aber ich kann ihn mir ja auch unter dem Aspekt der Selbsthilfe des Besitzers wiederbeschaffen.


    Welcher Aspekt ist denn jetzt richtig oder kommen hier beide zur Geltung?!


    Das Notwehr im StGB/BGB und Selbsthilfe im BGB aufgeführt ist, ist mir dabei schon bewusst, nur versteh ich nicht wann jetzt was zum Tragen kommt?!


    Wäre super, wenn ihr mir helfen könntet!

  • Schon eine Weile angemeldet.....


    Keine Vorstellung und nun die 1. Frage die einiges bei Nutzung der Suchfunktion ausspuckt.

    Gruss
    Ghost


    Seiner eigenen Würde gibt Ausdruck, wer die Würde anderer Menschen respektiert.
    R.v.Weizsäcker

  • Zurückholen durch Notwehr?


    Ich würde sagen, da sollte jemand erstmal eine Vorstellung verfassen.
    Danach könnte es sein, dass man antwortet.


    Ich schließe mich somit dem Kollegen an.

  • da ich hier im forum so wenig beitrage, biete ich hier dem nächsten ahnungslosen mal nen treffer bei benutzung der suchfunktion.. ;-)


    1. strafrechtliche vorschriften haben was mit STRAFrecht zu tun, d.h. wenn du zb jmd was wegnimmst (sowas ist normalerweise nich erlaubt) dann kann dies durch vorliegen einer notwehrsituation gerechtfertigt sein, du wirst also nicht beSTRAFt.. klar soweit?



    2. notwehr gibts natürlich auch im bgb..
    auch hier ist die notwehr aber ein RECHTFERTIGUNGSgrund, d.h. hier nichts anderes, als daß du auch hier irgendwas machst, was du eigentlcih nicht darfst, es aber ausnahmsweise doch ok ist.. wenn du normalerweise jmd was wegnimmst kann das neben ner strafbarkeit auch noch andere folgen haben, zb schadenersatzansprüche.. daher gibts auch ne notwehr im bgb, denn wenn du gerechtfertigt handelst, mußte nich zahlen.. auch klar? supi!


    3. zu deinem beispiel: wiederbeschaffen ist in beiden beispielsfällen das nciht ganz richtige wort: erstmal würde ich eher von irgendwas a la "wegnahme verhindern" reden, als von wiederbeschaffen, weil du sonst schon in der fallstudie andeutest, daß zb der angriff auf deine rechtsgüter nicht mehr ganz gegenwärtig ist.. (so nach dem motto: "ne stunde später sehe ich plötzlich nen typen mit MEINEM rucksack..!") klar was ich meine?


    4. was das selbsthilferecht angeht: das is einfach, lies den wortlaut im gesetz, der is deutlcih: (sinngemäß:) wenn einer in dein besitzrecht eingreift, darfst du dagegen vorgehen [wenn ...].



    hoffe mit meinem saloppen gequatsche ein bißchen mehr licht ins halbdunkel gebracht zu haben..

  • Auch, wenn die beiden Erstposter Recht haben, sag ich nochmal was, was direkt am Beispiel anliegt..


    Deine Situation mal etwas detaillierter hingestellt:


    Du gehst dort also so entlang, plötzlich springt hinter dir jemand aus dem Gebüsch, schnappt sich deinen Rucksack und setzt direkt zur Flucht an.
    -Hier frieren wir die Zeit mal ein-


    BGB: Dir wurde dein Besitz unerlaubt entwendet.
    StGB: (mindestens) Diebstahl liegt vor.
    StPO: Eine Straftat wurde begangen, der Täter ist unbekannt, auf frischer Tat betroffen und flüchtet.


    Bedeutet?
    BGB: Selbsthilfe des Besitzers erlaubt eine Besitzkehr.
    StPO: Vorläufige Festnahme erlaubt.


    Was also konkret?
    BGB: Dieb verfolgen, einholen, Rucksack wegnehmen.
    StPO: Dieb festnehmen, Polizei rufen, Dieb übergeben.


    Wenn sich der Dieb das alles gefallen lässt kommt hier keine Notwehr ins Spiel und alle sind glücklich.
    So blöd ist nur keiner.
    Er wird sich also gegen dich wenden, d.h.:
    -Film geht weiter-
    Du erwischst ihn an der Jacke, er wirbelt herum mit geballter Faust, die auf dein Gesicht zuhält..
    -Zeit einfrieren-


    BGB/StGB: Ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf dein Rechtsgut (Leib) erfordert, daß du dich verteidigst. Notwehr!


    -Film geht weiter-
    Du packst seinen ankommenden Arm, hilfst ihm beim Stolpern und liegenbleiben. (Angriff vorbei - Notwehr vorbei.)
    Da du mit einer Hand ihn untenhalten kannst, ziehst du mit der anderen den Rucksack zu dir. (Besitzkehr vollzogen.)
    Da der Dieb langsam zur Ruhe kommt, informierst du ihn noch darüber, vorläufig festgenommen zu sein. Aus dem Rucksack holst dir noch dein Handy und holst die Polizei. Wenn die ankommt ist auch die vorläufige Festnahme beendet.


    Sollte bei der Rauferei oder beim Wegnehmen dein Rucksack beschädigt worden sein, informierst du noch die Polizei darüber und bittest um die Personalien des Diebes, um auf dem Zivilweg Schadenersatz geltend zu machen. BGB auch erledigt.


    Hoffe, das war übersichtlich genug :)

  • Zitat von Raven

    Auch, wenn die beiden Erstposter Recht haben, sag ich nochmal was, was direkt am Beispiel anliegt..




    Wenn sich der Dieb das alles gefallen lässt kommt hier keine Notwehr ins Spiel und alle sind glücklich.
    So blöd ist nur keiner.
    )


    Tscha, wenn es denn mal stimmen würde, hier ist nämlich eine der Situationen, bei denen man sich nen schicken RFG (Rechtfertigungsgrund) aussuchen kann (oder besser hinterher vom Anwalt aussuchen lässt *g*).
    Der Eigentumsangriff läuft nämlich, bis der Täter die Beute im Versteck gesichert oder einem Hehler übergeben hat.
    Und vor allem, hütet euch vor dem Mythos, dass Notwehr nur was mit Gewalt (von wegen Angriff auf Leben) zu tun hat. Jedes geschützte Rechtsgut, also auch Eigentum, kann bei enem gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff im Zuge der Notwehr verteidigt werden.
    Die Selbsthilfe des Besitzers hingegen beschäftigt sich ausschließlich mit Besitz und kann daher mal mit der Notwehr in Teilen einfach mal kongruent sein.


    Gruß
    BigBlock

    Hüte Dich vor dem Zorn eines sanftmütigen Mannes.

  • Hi,


    bitte stell Dich doch mal kurz vor, damit wir auch wissen, ob Du aus der Branche,.... oder einfach ein "Zivilist" bist :-)


    Insbesondere bei rechtlichen Fragen solltest Du Dich schon ein wenig identifizieren.


    Insofern stimme ich den o.g. Moderatoren zu und es gibt von mir "noch" keine rechtlichen Beispiele.


    Grüße,


    N-I

    -Ich liebe es, politisch inkorrekt, ehrlich, unverschnörkelt und ohne Einfluß zu sein.


    Denn Toleranz wird dann zum Verbrechen, wenn es dem Bösen dient (Thomas Mann)

  • Zitat

    Die Selbsthilfe des Besitzers hingegen beschäftigt sich ausschließlich mit Besitz und kann daher mal mit der Notwehr in Teilen einfach mal kongruent sein.


    Naja etwas weit hergeholt formuliert :D


    Ich sage das hier auch nicht um klug zu scheissen, sondern weil bei diesem Sachverhalt in der mündlichen SKP die Variante sich den Rucksack durch Notwehr zurückzuholen schlichtweg falsch wäre. Das der Eigentumsangriff noch läuft ist richtig, das ist allerdings auch Vorraussetzung für die Besitzkehr ( siehe BGB § 859 Abs.: 2).
    In diesem Absatz ist auch genau der geschilderte Fall mit dem Rucksack geregelt und im Recht gilt : immer vom Speziellen ins Allgemeine prüfen. ( d.H.: trifft eine spezielle Regelung genau auf diesen Fall zu kongruiert ( und konkurriert) sie nicht mit einer allgemeinen Regelung)

  • Zitat von Kirk5

    ... sondern weil bei diesem Sachverhalt in der mündlichen SKP die Variante sich den Rucksack durch Notwehr zurückzuholen schlichtweg falsch wäre. Das der Eigentumsangriff noch läuft ist richtig, das ist allerdings auch Vorraussetzung für die Besitzkehr ( siehe BGB § 859 Abs.: 2).


    Bei mir war das noch richtig. Weiter wurde ich gefragt ob und nach was ich den Knaben festnehmen könne. Klar, 127 StPO wg. Straftat und 229 falls ich einklagbare Ansprüche habe wie z.B. beschädigte Kleidung, Rucksack vielleicht sogar Schmerzensgeld bei einer Verletzung. Damals war es richtig und falls sich keine große Reform vollzogen hat von der ich nichts mitbekommen habe wird es wohl auch heute noch passen. Allerdings war es im letzten Jahrtausend...?

  • Im letzten Jahrtausend klingt irgendwie als ob du aus ner Gruft gestiegen bist *lach*
    Tja Glück gehabt, kommt ja auch immer auf deine Prüfer an.
    Ich sehe es allerdings skeptisch hier überhaupt Notwehr in betracht zu ziehen, da Notwehr ja nur zulässig ist um einen Schaden von sich abzuwehren. Da der Rucksack allerdings schon weggenommen wurde kann der einzigste Schaden, dem man sich noch entziehen möchte der dauerhafte Besitzentzug sein. Die tatsächliche Gewalt des Rucksackes liegt nun allerdings schon beim Dieb, er ist zwar noch in Reichweite aber er kann mit dem Rucksack thoeretisch verfahren wie er will.
    Das der Eigentumsangriff noch läuft wie von BigBlock beschrieben reicht für Notwehr in diesem Fall nicht aus, da der Angriff bereits erfolgreich vollendet ist ( Wegnahme des Rucksackes) , er ist lediglich noch nicht beendet.
    Soll heissen, bis zu dem Zeitpunkt an dem der Diebstahl noch nicht vollendet ist würde ich Notwehr gelten lassen, danach kommt nur die Selbsthilfe d. B. in betracht.

  • Zitat von Kirk5

    Das der Eigentumsangriff noch läuft wie von BigBlock beschrieben reicht für Notwehr in diesem Fall nicht aus, da der Angriff bereits erfolgreich vollendet ist ( Wegnahme des Rucksackes) , er ist lediglich noch nicht beendet.


    Was denn nun?


    Zuerst läuft der Angriff noch,
    dann ist er auf einmal doch vollendet,
    dann noch nicht beendet...


    Wirrwarr?


    Wo liegt der Unterschied zwischen Vollendung und Beendung?

    "Was ich anpacke, klappt immer..... ...manchmal
    Mike Lowrey - Bad Boys


    Team_Signatur



  • Die gängige Rechtsprechung zieht, wenn ich mich recht erinnere, den Eingentumsangriff etwa gleich mit der Selbsthilfe d. Bes. und sagt daher, der Eigentumsangriff ist abgeschlossen, wenn der Dieb die Beute im Verstewck gesichert oder einem Hehler übergeben hat. Das mit dem Lex specialis ist ja ne durchaus richtige Sache,dummerweise zieht sich das mit der Notwehr aber durch die Prüfungen als gegeben durch. Deswegen ist es für Sicherheiteleute ganz praktisch, das so zu lassen.


    Gruß
    BigBlock

    Hüte Dich vor dem Zorn eines sanftmütigen Mannes.

  • Bei der Notwehr kann ein Angriff
    -kurz bevorstehen
    -gegenwärtig sein
    -oder andauern


    Solange der Zusammenhang besteht - ich lauf dem Arsch der meine Tasche geklaut hat hinterher bis ich ihn erwische oder er mir abhaut. Wenn er es geschafft hat abzuhauen ist der Angriff beendet weil ich nicht mehr in Notwehr handeln kann. Erwische ich ihn "ernotwehre" ich mir meine Tasche wieder. Was ein Wort, ich sollte ins Bett gehen...

  • Zitat

    Bei der Notwehr kann ein Angriff
    -kurz bevorstehen
    -gegenwärtig sein
    -oder andauern


    Solange der Zusammenhang besteht - ich lauf dem Arsch der meine Tasche geklaut hat hinterher bis ich ihn erwische oder er mir abhaut. Wenn er es geschafft hat abzuhauen ist der Angriff beendet weil ich nicht mehr in Notwehr handeln kann. Erwische ich ihn "ernotwehre" ich mir meine Tasche wieder. Was ein Wort, ich sollte ins Bett gehen...


    Du machst es dir zu einfach, es ist sehr wichtig zu unterscheiden wann ein Angriff vollendet ist, und wann er beendet ist.
    Nehmen wir wieder das Beispiel mit dem Rucksack, ich will ihn dir wegnehmen ...du willst das nicht :) Dementsprechend wehrst du dich. Hier kann man sagen dass du in Notwehr handelst. Der Angriff ist wie bei deinem Zitat oben beschrieben.
    Wenn ich den Rucksack jetzt aber habe war mein Angriff ja erfolgreich, d.h. er ist vollendet. Nun kannst du nicht mehr in Notwehr handeln, da Notwehr nur zulässig ist um einen Angriff von sich selbst oder anderen ( Nothilfe) abzuwenden...
    Da der Angriff nun aber vollendet ist besteht kein gegenwärtiger oder andauernder Angriff mehr. Was nun aber nichts daran ändert, das der Täter weiterhin auf frischer Tat betroffen (oder verfolgt) ist und du einen Rechtsanspruch auf den Rucksack besitzt, diesen Rechtsanspruch kannst du durch die Selbsthilfe des Besitzters in Form der Besitzkehr durchsetzen.


    Kurz gesagt, bei einem unvollendeten Angriff geht es noch um die Abwendung des Schadens deshalb ist Notwehr zulässig, war dies erfolglos und der Angriff ist vollendet jedoch noch nicht beendet geht es nur noch um die Sicherung von Rechtlichen Ansprüchen und man handelt nach §859 BGB

  • Der Angriff geht ja nicht gegen mich persönlich sondern gegen mein Notwehrfähiges Rechtsgut Eigentum und solange du noch in meinen Zugriffsbereich bist (verfolgt) dauert der Angriff auf mein Rechtsgut Eigentum an.

  • Ok, muss mich hier mal entschuldigen, hatte unrecht!
    Ich hab gestern mit einer guten Freundinn, die gerade ihr 2. Staatsexamen macht telefoniert.
    es ist folgendermaßen: Strafrechtlich gesehen handelt man durch Notwehr ( oder ist dadurch entschuldigt).
    Kommt es zu einem Zivilprozess und es geht um Schadensersatzforderungen ist man durch § 859 entschuldigt, es gibts zwar auch im BGB den Notwehrartikel 227, dieser ist dann allerdings wegen des Lex specialis des 859 BGB nicht anzuwenden.


    Denkt man darüber mal genauer nach ist es sogar recht logisch, da man ja das öffentliche stets vom privaten Recht trennen muss. Und da es im STGB ja nur den § 34,§35 und den §32 ( von §228 mal abgesehen, den nenn ich domina-paragraph :))gibt muss einer von dreien vorliegen, wenn man nicht rechtswiedrig gehandelt hat.

  • Zitat von Kirk5

    Ok, muss mich hier mal entschuldigen, hatte unrecht!
    Ich hab gestern mit einer guten Freundinn, die gerade ihr 2. Staatsexamen macht telefoniert.
    es ist folgendermaßen: Strafrechtlich gesehen handelt man durch Notwehr ( oder ist dadurch entschuldigt).
    Kommt es zu einem Zivilprozess und es geht um Schadensersatzforderungen ist man durch § 859 entschuldigt, .


    Du darfst Dich persönlich gern bei jedem entschuldigen, wo es Dir sinnvoll erscheint, sobald Du aber mit Notwehr oder Selbsthilfe argumentierst bist Du eben nicht entschuldigt sondern gerechtfertigt und das ist ne ganz andere Hausnummer.....
    *gg*


    Gruß
    BigBlock

    Hüte Dich vor dem Zorn eines sanftmütigen Mannes.

  • Ich seh schon, hier hat sich in meiner Abwesenheit nix verändert =)


    BigBlocks Ausführungen sind korrekt. Übrigens ist es völlig wumpe in welchem Gesetzbuch ein Rechtfertigungsgrund niedergeschrieben steht. Wenn ich zivilrechtlich rechtmäßig handle, dann ist die Handlung strafrechtlich auch automatisch rechtmäßig ;-)

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