Mal wieder: Notwehr und Verhältnismäßigkeit

  • Da offensichtlich noch immer Diskussionsbedarf in dieser Thematik besteht, habe ich einen Teil der diesbezüglichen Diskussion aus einem aktuellen Thread im Bereich GWT herausgelöst. Hier kann es in dieser Thematik weiter gehen.





    Die falschen Buchstaben benutzt? "Verhältnismäßig" bedeutet nun mal nicht "erforderlich".
    Man kann auch nicht das Gleiche damit meinen...


    Der elementare Grundsatz in der Notwehr nach deutschem Recht ist: "Recht muss Unrecht nicht weichen". Und daher kann es in der Notwehr grundsätzlich keine Verhältnismäßigkeit geben, denn eine Verhältnismäßigkeit erfordert (neben anderen Dingen) immer und ausnahmslos eine Abwägung zwischen den konkurrierenden Rechtsgütern.
    Die Erforderlichkeit ist etwas anderes, bzw. ist lediglich ein Teil der Verhältnismäßigkeit (siehe oben: Die Verhältnismäßigkeit beinhaltet mehrere Aspekte, die allesamt erfüllt sein müssen).


    Die Notwehr wird immer im Einzelfall geprüft. Und ja: Im Einzelfall kann eine Verteidigung mittels Schusswaffe auch gegen einen unbewaffneten Menschen erforderlich sein. Verhältnismäßig ist eine derartige Verteidigung aber eher nicht - muss sie ja aber auch nicht wirklich sein.


    Ich würde aber hier an dieser Stelle aber lieber auf die zum Thema "Notwehr und Verhältnismäßigkeit" bereits zigfach geführte Diskussion im Forum und damit auf die Suchfunktion verweisen.

    "Was ich anpacke, klappt immer..... ...manchmal
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  • Da fragt mal die, die wegen genau diesen Dingen vor Gericht standen, Notwehr ihr Vergehen war und die dann wegen der Überziehung derselbigen verknackt wurden. Aber ihr habt ja Recht. Gott sei Dank ist Papier geduldig.

    Ich bin wie bin, die einen kennen mich, die anderen können mich....

  • Lest das mal und sagt dann eure Meinung, weil ja Notwehr niemals verhältnismässig sein kann, sondern nur erforderlich. Es ist mir übrigens im Moment egal das das nicht zum eigentlichen Thema passt.


    http://www.amadeu-antonio-stif…es/interview-tibor-sturm/



    Ein Zitat aus kritische Wissenschaft


    Im Jahr 2000 hat der Bundesgerichtshof einem Angeklagten, der in Notwehr einen Einbrecher getötet hat, das Recht auf Notwehr bestätigt, ihn aber dennoch wegen der Tötung des Angreifers verurteilt (BGH NJW 2000, S.1075). Die Mittel zur Wahrnehmung der Notwehr seien nicht angemessen gewesen, so die Begründung. Die Angemessenheit der Mittel, die bei Notwehr zum Einsatz kommen, ist im Paragraphen 34 des Strafgesetzbuches geregelt. Dort heißt es: “Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich übersteigt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden“.


    Habe fertig

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  • Da Notwehr ein Rechtfertigungsgrund ist, kann sie kein Vergehen sein...


    Aber ich denke auch, dass sich hier ein separater Thread lohnt, da wir uns mittlerweile etwas vom Thema dieses Threads entfernt haben...


    Obwohl auch ein neuer Thread vergebene Liebesmüh wäre.

  • Lies einfach das was ich eingestellt habe..........Du weisst doch....vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand, da haben es einige Richter aber schon anders gesehen als Du, leider ist es nicht wichtig wie Du es siehst sondern wie die Richter es sehen und da waren schon welche vom BGH dabei die anderer Meinung waren als Du.

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  • Drago, der BGH hat auch ganz andere Urteile abgeliefert...


    ...und wie gesagt: Alles ist eine Einzelfallprüfung. Da kommt es eben auf Kleinigkeiten an.


    Pauschal lässt sich nur sagen: In der Notwehr gibt es keine Verhältnismäßigkeit.
    Das von Dir zitierte Urteil bezieht sich in der Frage der Verhältnismäßigkeit auch nicht auf die Vorschriften zur Notwehr (§32 StGB), sondern auf den §34 StGB...


    Eine Rechtsgüterabwägung findet in der Notwehr grundsätzlich nicht statt.

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  • Offensichtlich doch, siehe das von mir zitierte. Jeder Richter hat da seine eigenen Ansichten und Spielräume.

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  • Drago - sei mir nicht böse, aber du hast
    a) kein Urteil des BGH gepostet, sondern einen Artikel einer Zeitschrift kopiert.
    b) fehlt dazu auch der Ursprungssachverhalt.


    Tu Dir selbst einen Gefallen und mach Dich mal richtig schlau. Such Dir aus der Datenbank des BGH Urteile. Lies Kommentare zum StGB, genauer gesagt zum §32.

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  • Drago, auch der Vorfall in München hatte nichts mit einer Verhältnismäßigkeit in der Notwehr zu tun... auch dort ging es lediglich um die Erforderlichkeit.


    Was in der Notwehr möglich ist, sagt der BGH z.B. auch ganz gut im Urteil um den Rocker, der den SEK-Beamten erschossen hat. Such Dir das Urteil mal heraus...

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  • die diskussion wird nie enden. ich hab allein während meinem berufsschulunterricht zur fachkraft gefühlte 100 mal den satz: "in der notwehr muss auch immer die verhältnismäßigkeit der mittel beachtet werden" gehört.
    von berufsschullehrern.
    ich hab irgendwann augehört einspruch zu erheben :(

  • Berufsschullehrer sind Fachfremde die sich anhand der Lehrbücher im Stoff eingelesen haben.


    Eine Verhältnismäßigkeit der Mittel gibt es schon, aber das ist nicht eindeutig geregelt sondern entscheidet sich bei den Leuten in der schwarzen Kutte.
    Da geht es mehr um das sogenannte "Mit Kanonen auf Spatzen Schiessen"

  • Zitat von klaus

    Eine Verhältnismäßigkeit der Mittel gibt es schon, aber das ist nicht eindeutig geregelt sondern entscheidet sich bei den Leuten in der schwarzen Kutte.
    Da geht es mehr um das sogenannte "Mit Kanonen auf Spatzen Schiessen"


    Nein, nein, und nochmals nein.


    Eine "Verhältnismäßigkeit der Mittel" gibt es genauso wenig wie die Verhältnismäßigkeit allgemein in der Notwehr. Auch nicht bei den Richtern, zumindest nicht in den höheren Chargen. Dass Amtsrichter mitunter abenteuerliche Ansichten haben und dementsprechende Urteile fällen, ist bekannt. Manche Urteile sind da mehr als lebensfremd. Aber dennoch geht es da grundsätzlich nicht um die angebliche Verhältnismäßigkeit, sondern ausschliesslich darum ob die gewählte Verteidigungshandlung erforderlich war oder nicht.



    In der Notwehr findet keine Güterabwägung (=Verhältnismäßigkeit) statt - das bedeutet, dass die konkurrierenden Rechtsgüter (Rechtsgut des Angegriffenen auf der einen Seite, durch die Verteidigung gefährdetes Rechtsgut des Angreifers auf der anderen Seite) nicht gegeneinander abgewogen werden müssen:
    Eigentum ist weniger als Gesundheit oder Leben. Würde in der Notwehr die Rechtsgüterabwägung erforderlich sein, dürfte also die Oma nicht mit ihrem Krückstock auf den Jüngling einprügeln, der gerade ihre Handtasche klauen will.


    Die einzige Ausnahme ist eben das sogenannte "krasse Missverhältnis" der konkurrierenden Rechtsgüter. Das Lehrbuchbeispiel sieht hier die Kirschen stibitzenden Kinder vor, die vom Bauern mit einer Flinte beschossen werden. Hier haben wir dann die berühmten Kanonen und Spatzen.


    Eine "Verhältnismäßigkeit der Mittel" ist genauso wenig gefordert. Das würde bedeuten, dass man höchstens mit gleichwertigen Mitteln "zurückschlagen" darf, aber keinesfalls mit härteren - vollkommen egal, ob man damit den Angriff endgültig und sicher abwehren kann oder nicht.


    Was landläufig als "Verhältnismäßigkeit der Mittel" propagiert wird, ist der Umstand, dass man von mehreren zur Verfügung stehenden und geeigneten Mitteln das mildeste Mittel zu nutzen hat.
    Das stimmt zwar, nur wird dieser Fakt auch oft falsch rüber gebracht. Auch und gerade von Dozenten bei der Vorbereitung zur Waffensachkunde oder SKP nach §34a GewO.


    Was sagt der BGH dazu? Siehe das von mir bereits angesprochene Urteil im Fall "Rocker erschiesst SEK-Beamten" (BGH 2 StR 375/11):
    "Wird eine Person rechtswidrig angegriffen, dann ist sie grundsätzlich dazu berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, welches eine endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet; der Angegriffene muss sich nicht mit der Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel begnügen, wenn deren Abwehrwirkung zweifelhaft ist. Das gilt auch für die Verwendung einer Schusswaffe. Nur wenn mehrere wirksame Mittel zur Verfügung stehen, hat der Verteidigende dasjenige Mittel zu wählen, das für den Angreifer am wenigsten gefährlich ist. Wann eine weniger gefährliche Abwehr geeignet ist, die Gefahr zweifelsfrei und sofort endgültig zu beseitigen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Senat, Urteil vom 5. Oktober 1990 - 2 StR 347/90, NJW 1991, 503, 504). Unter mehreren Abwehrmöglichkeiten ist der Verteidigende zudem nur dann auf die für den Angreifer weniger gravierende verwiesen, wenn ihm genügend Zeit zur Wahl des Mittels sowie zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht (vgl. Senat, Urteil vom 30. Juni 2004 - 2 StR 82/04, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 17)."

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  • guardian_bw:


    Du hast vollkommend recht bei dem was du schreibst und auch BGH Urteile stützen deine Meinung. Jedoch meine ich, dass solche Aussagen von Personen ,welche im Rechtswesen weniger bewandert sind, missinterpretiert werden könnten.
    Der Ausdruck der "Verhältnismäßigkeit" wird zumeist so interpretiert, dass mehrere wirksame Möglichkeiten vorhanden sind um den Angriff abzuwehren. Bei einer solchen Situation ist diejenige zu wählen welche imstande ist den Angriff abzuwehren und dem Angreifer den geringsten Schaden zuzufügen (Hast du bereits zitiert).


    Von Richtern wird übrigens auf das Weglaufen oftmals als Möglichkeit gesehen. Inwieweit das erforderlich ist, weiß ich nicht.


    Um es nochmals klarzustellen: Ich stimme dir völlig zu guardian_bw, aber ich persönlich finde solche Aussagen alleinstehend, wie oben bereits erwähnt, kritisch.

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