Jedermannfestnahme und Zwang

  • Ein Straftäter da von Jedermann festgenommen werden und der Polizei übergeben werden.
    Wenn der Straftäter das nicht will, darf die Festnahme dann auch auch Zwang durchgeführt werden?
    Festhalten? Zu Boden ringen? Dem Flüchtenden ein Bein stellen? Ins Bein schießen (dem flüchtendem Mörder oder Terroristen)?

  • kurz: ja! aber bitte verhältnismäßig. sprich bei kleinkram (ladendiebstahl einer packung kaugummi) und einem sich nicht wehrenden, aber fliehen wollenden täters geht ein massives festhalten/zu boden werfen das zu verletzungen führt/führen kann zu weit. reines verletzungsfreies festhalten wird nahezu immer gehen.


    geht (dann) eine gegenwehr vom täter aus, wird er (wenn er wirklich eine straftat begangen hat, die die vorl. festnahme begründet) regelmäßig ungerechtfertigt handeln, da er sich dann eben gerade nicht auf rechtfertigungsgründe berufen kann. dies bedeutet, daß diese gegenwehr aus sicht des festnehmenden erneut einen weiteren rechtswidrigen angriff (jetzt auf leib/leben/körperliche unversehrtheit des SMA) darstellt, die dann wiederrum notwehrfähig ist..


    also steigert euch langsam, dann seid ihr im grünen bereich..

  • Zitat von steroider

    Ins Bein schießen (dem flüchtendem Mörder oder Terroristen)?


    Gerade das ja eher nicht. Denn wenn der Mörder flüchtet, dann liegt ja gegenwärtig kein Angriff vor, den du dann abwendest. Dann begehst du eine *Körperverletzung.


    Wenn du handelst, denke immer daran, was du davon hast, wenn du jetzt jemanden festnimmst. Du bist nicht die Polizei, du musst keine Straftaten verfolgen.

  • Zitat von D_R

    Gerade das ja eher nicht. Denn wenn der Mörder flüchtet, dann liegt ja gegenwärtig kein Angriff vor, den du dann abwendest. Dann begehst du eine *Körperverletzung.


    Hier verwechselst du eine Notwehrhandlung mit einer Festnahme nach der StPO. Natürlich darf ich auch einen flüchtenden Täter festnehmen!


    LS

    Ich lebe zwar stark über meine Verhältnisse, aber immer noch weit unter meinem Niveau!

  • Zitat von Locationscout


    Hier verwechselst du eine Notwehrhandlung mit einer Festnahme nach der StPO. Natürlich darf ich auch einen flüchtenden Täter festnehmen!


    Szenario:
    Ein bewaffneter SMA kommt gerade an einem Hochhaus an, das Mr. Achmed the Dead Terrorist gerade in die Luft gejagt und tausende Leute getötet hat. Achmed läuft weg. Dann darf der SMA ihn jetzt nicht festnehmen, in dem er ihn durch einen Schuss ins Bein an der Flucht hindert.

  • Natürlich ist bei der vorläufigen Festnahme nach 127 StPO die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Bei meiner Antwort geht es auch nicht um den Schusswaffengebrauch, sondern um diese Aussage von dir:


    Zitat von D_R


    Denn wenn der Mörder flüchtet, dann liegt ja gegenwärtig kein Angriff vor, den du dann abwendest. Dann begehst du eine *Körperverletzung.


    Ich muss bei 127 StPO keinen gegenwärtigen Angriff abwehren, dies sind die Tatbestandsmerkmale vom 32 StGB, dem Notwehrparagraphen. Bei der vorläufigen Festnahme muß kein Angriff abgewendet werden, die Tat ist bereits vollendet und es darf dem Täter auch nachgesetzt werden! Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sind bei der Festnahme auch Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges rechtmäßig!


    LS

    Ich lebe zwar stark über meine Verhältnisse, aber immer noch weit unter meinem Niveau!

  • D_R hat mit seiner Aussage, die ja (erkenntlich durch das Zitat von steroiders Beispiel mit dem Schuss in's Bein) bezogen ist auf den Schusswaffengebrauch, aber durchaus Recht.


    Ja, ich darf nach §127 StPO jemanden vorläufig festnehmen, wenn er auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wurde und der Flucht verdächtig ist bzw. sich nicht ausweisen möchte. Festnehmen bedeutet hier festhalten, bis die Polizei eintrifft. Es bedeutet aber nicht, dass ich dafür pauschal die Schusswaffe einsetzen darf.
    Das wiederum darf ich nur, wenn der Festzunehmende dem Versuch der vorläufigen Festnahme ungerechtfertigten Widerstand leistet, indem er sich zur Wehr setzt und dabei derart Gewalt einsetzt, dass ein Schusswaffeneinsatz erforderlich wird, analog zu den Rahmenbedingungen aus §32 StGB, da es sich in dem Fall tatsächlich um eine Form der Notwehr handelt (auch wenn das Ziel hier vornehmlich die vorläufige Festnahme war und der gegenwärtige, rechtswidrige Angriff dadurch erst "provoziert" wurde).


    Zum reinen Aufhalten eines verfolgten, flüchtenden Tatverdächtigen nach §127 StPO, der mich eben nicht im Zuge der Verfolgung oder vorl. Festnahme mit einer einen Schusswaffeneinsatz erforderlich machenden Gewalt angreift, darf ich als Privatperson oder Sicherheitsmitarbeiter eben keine Schusswaffe einsetzen. Das darf nur die Polizei - zumindest in allen Polizeigesetzen/Sicherheits- und Ordnungsgesetzen, die mir so spontan bekannt sind. Das hat plastus ja schon angedeutet.


    Ich darf weiter hinterherlaufen und versuchen festzunehmen und dabei "drauf warten", dass der Täter eine Verteidigungshandlung erforderlich macht - das ist die Steigerung, von der plastus geredet hat.


    Im Übrigen kommt es - wie letztendlich immer - auf die Situation an.


    Und ja, Bein stellen und/oder zu Boden bringen sind ab einer gewissen Schwere der Tat verhältnismässig, wenn sich der Betroffene versucht der Festnahme zu entziehen.
    Einfaches Festhalten ist es eigentlich immer.
    Bei der Ausführung dieser Handlungen sollte man aber meiner Meinung nach klar ansagen, was man auf welcher Rechtsgrundlage grade tut, am besten so, dass es auch Zeugen hören bzw. mitlaufende Handykameras aufzeichnen können. Dann kann sich der Betroffene später schwerer herausreden, dass er nicht wusste, was grade mit ihm passiert und sich bedroht gefühlt hat. Zumindest halte ich das in den (glücklicherweise seltenen) Fällen so, wo ich sowas tun muss(te).


    Kleine Klugscheisserei zum Ende: Unmittelbarer Zwang bezeichnet "die Anwendung und Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder durch Waffen, durch zuständige und befugte Amtsträger". Wir reden hier aber von "Jedermann", da ist das der falsche Begriff. :wink:
    Zumal beim Unmittelbaren Zwang das Verhältnismäßigkeitsprinzip mehr Gewicht hat, während bei der sich aus einer vorläufigen Festnahme heraus eventuell ergebenden Notwehrhandlung das Erforderlichkeitsprinzip gilt. Ein kleiner, aber feiner Unterschied
    .
    Die Herrschaften der Landespolizeien dürfen wie gesagt durch die jeweiligen einschlägigen Landesgesetze legitimiert sogar schon etwas früher zur Schusswaffe greifen, auch wenn sie das in der Praxis meist nicht tun (was vielleicht auch besser so ist)

  • Festhalten und Beistellen sind Gewalt anwenden ohne dass ein Angriff vorliegt. Er läuft nur weg.
    Wo ist der Unterschied zur Schusswaffe?


    (die Verhältnismäßigkeit - also besonders schwere Tat - mal vorausgesetzt; wie aber auch beim Beinstellen).

  • Ziel der Festnahme ist es, den Täter - explizit gegen seinen Willen, wenn verfolgt oder der Flucht verdächtig - bis zum Eintreffen der Polizei bzw. bis zum Feststellen der Identität an der Flucht zu hindern bzw. festzuhalten, . Da liegt es schon in der Natur der Sache, dass §127 ein gewisses Maß an Gewalt legitimiert, die ausgeübt werden darf, ohne dass ein Angriff auf einen selbst gegenwärtig sein muss, jedoch liegt ja zumindest ein Angriff auf ein Rechtsgut vor (frische Tat).


    Das Ziel ist aber eben die vorläufige Festnahme, nicht das Verletzen oder gar Töten des Verfolgten/Festgehaltenen. Daher ist der sofortige Einsatz der Schusswaffe ohne vorliegenden, eine Notwehrhandlung rechtfertigenden rechtswidrigen Angriff zur Abwehr der Maßnahme durch den Täter kaum begründbar.


    Einer der Leitsätze des BGH zum Thema lautet:


    "Das Festnahmerecht des § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO knüpft an die "Frische" und nicht an die "Schwere" der Tat an und gilt unabhängig von der Gewichtigkeit der Tat und vom Wert der Beute bei allen Verbrechen oder Vergehen. Allerdings gestattet das Recht zur Festnahme nicht die Anwendung eines jeden Mittels, das zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist, selbst wenn die Ausführung oder Aufrechterhaltung der Festnahme sonst nicht möglich wäre. Das angewendete Mittel muß vielmehr zum Festnahmezweck in einem angemessenen Verhältnis stehen. Unzulässig ist es daher regelmäßig, die Flucht eines Straftäters durch Handlungen zu verhindern, die zu einer ernsthaften Beschädigung seiner Gesundheit oder zu, einer unmittelbaren Gefährdung seines Lebens führen."


    Das Festhalten ist wie oben geschildert das mildeste Mittel, wenn Reden nicht (mehr) hilft.


    Das Beinstellen kann zwar Verletzungen zur Folge haben, führt aber nur sehr selten zu einer ernsthaften Beschädigung der Gesundheit oder gar zu einer unmittelbaren Gefährdung des Lebens des Straftäters.


    Ja, ein ungünstiger Sturz kann immer passieren, das allerdings auch beim normalen Stolpern. Ziel des Beinstellens ist hier eindeutig nicht eine Verletzung zu erreichen und ist daher bei fortgesetzter Flucht durchaus ein im angemessenen Verhältnis stehendes Mittel, wenn ich sonst keine Chance sehe, den Täter zu stoppen (und es sich eben nicht um den Diebstahl von 'nem Kaugummi handelt, Stichwort "Straftaten von geringem Gewicht").


    Die Schusswaffe darf ich gemäß dem Leitsatz aber nur einsetzen, wenn ein nicht von der Notwehr gedeckter Gegenangriff des Straftäters eine bewaffnete Notwehrhandlung meinerseits erforderlich macht. Bei der vorläufigen Festnahme hat die nichts zu suchen, das ist Sache der Polizei.

  • Interessant dazu auch dieses Revisionsurteil des BGH, auch wenn es einen Extremfall beschreibt:


    http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/4/99/4-558-99.php3


    Besonders die Randnummern 6 und 11 und 12 führen das hier diskutierte Thema des Handlungsspielraums bei einer vorl. Festnahme nach §127 StPO genauer aus, während Nr. 13 die Grenzen aufzeigt. Man muss seinen Jagdtrieb also recht präzise dosieren, damit die Maßnahme nicht nach hinten losgeht.

  • Zitat von Peter S.

    Interessant dazu auch dieses Revisionsurteil des BGH, auch wenn es einen Extremfall beschreibt:


    http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/4/99/4-558-99.php3


    Besonders die Randnummern 6 und 11 und 12 führen das hier diskutierte Thema des Handlungsspielraums bei einer vorl. Festnahme nach §127 StPO genauer aus, während Nr. 13 die Grenzen aufzeigt. Man muss seinen Jagdtrieb also recht präzise dosieren, damit die Maßnahme nicht nach hinten losgeht.


    Danke auch für den Link, was ich erwähnenswert (abseits des ursprünglichen Themas) finde ist auch der letzte Satz zu Randnummer 3, den praktisch jedes Gericht jedem, der über eine Sachkundeprüfung nach §34a verfügt reinschreiben wird. Der Erlaubnisirrtum ist nicht mit dem durchaus mal vorkommenden Elraubnistatbestandsirrtum zu verwechseln. Dieser letzte Satz im Urteil bedeutet frei ins alltagsdeutsch übersetzt: wer sachkundig ist weiß was er tun darf und was nicht, und kann sich nicht mehr auf Irrtümer berufen, der Angeklagte war sachkundig und daher ist ihm sein Tun als wollend und wissend zuzurechnen.


    Dessen sollte man sich auch Jahre nach ner Sachkundeprüfung o.ä. hin und wieder mal bewußt sein..

  • Stichwort Garantenstellung :roll:


    Menschen die seit 20 Jahren kein Gesetzestext mehr gesehen haben, können ja mal über eine Auffrischung nachdenken, um wieder auf Stand zu kommen.


    Sachkunde zu haben, bedeutet auch sachkundig sein.

  • Zitat von stinkefuchs

    Brüller! :todlachen:



    auch wenn es vielen nicht bewußt ist, aber vor Gericht ist tatsächlich genau das der Fall!


    anders gesagt, wer glaubt, nachdem er die Bescheinigung hat alles vergessen oder sich nciht aktuell halten zu MÜSSEN (!) macht nen großen Fehler, siehe oben.

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