Im Sauerland ist es so schön!

  • Es war schon knapp, als ich in die Einfahrt der ältesten Bestattungsfirma in unseren Ort einbog. Seit vier Jahren war ich dort beschäftigt, und die Ansichten des Chefs hatten sich in den letzten hundert Jahren nicht großartig verändert. Bloß keine Verspätung!Heute stand eine Überführung vom Sauerland an, zum ersten Mal würde sein Sohn diese selbstständig durchführen, mit mir zusammen. Da stand auch schon der Sarg im Durchgang zur Garage, er musste nur noch abgestaubt werden, ich hatte dieses gerade fertig, da stand auch schon der Chef neben mir.„Komm Jupp, ich helfe dir beim Einladen.“ sagte er. Als wir die Garage betraten, glänzte der Kackbraune Bulli japanischer Herkunft in der Morgensonne, die durch die Scheiben der Garagentür hereinschien. Dieses war das Ersatzfahrzeug, nachdem der Ford 17 M bei einem Unfall sein Leben ausgehaucht hatte. Der neue war um einiges günstiger wie eine Spezialkarosse, sparen war der zweite Vorname des Chefs.Auch jede Neuerung in der Werkstatt war Ketzerei, seitdem ich die Anschaffung eines Akkuschraubers oder einer neuen Bohrmaschine angesprochen hatte, war ich beim Chef unten durch. Gut, da musste ich halt mit leben, ich hatte ja nur einen Vertrag über die Dauer von fünf Jahren, die letzten zwölf Monate würde ich auch noch schaffen. Und ehrlich gesagt, ich hatte die Schnauze auch voll allmählich.So, alles war vorbereitet, jetzt fehlte nur der Sohn. Da kam er schon, aber zu spät, die vom Chef geplante Abfahrt Zeit würden wir nicht mehr schaffen. Der Chef bat seinen Sohn, mit ihm in den Flur zu gehen. Da es ziemlich laut wurde, bekam ich sowieso alles mit. Sowas, wegen zehn Minuten Verspätung so ein Theater zu machen!?Endlich fuhren wir los, die meiste Zeit schwiegen wir, der Sohn musste den Anschieß erst mal verdauen. Ein Radio hatten wir auch nicht im Wagen, den das ist ja überflüssiger Schnickschnack. Wir kamen gut durch den Verkehr, und erreichten dann die kleine Klinik auf dem Land.Nachdem ich uns angemeldet hatte, erhielt ich den Schlüssel für die Prosektur. Jetzt mussten wir mit dem einachsigen Sargroller die steile Rampe herunter, ein vernünftiger Scherenwagen war ja überflüssiger Schnickschnack. Nachdem wir die Tür geöffnet hatten, standen wir direkt vor einem Regal. In diesem waren in Glasbehältern diverse Tumore zu sehen, da waren Ballermänner dabei, mein lieber Scholli.Auch diverse andere Organe waren hier zu bestaunen. Als wir weiter gingen, kamen wir an dem Obduktionsraum vorbei, dort lag ein Mann auf dem Tisch, der auf seine letzte Untersuchung wartete. In der Leichenhalle ging alles gut von statten. Und recht zügig konnten wir uns auf den Weg zum Leichenwagen machen, dort luden wir den Sarg mit der Verstorben ein, und machten uns auf den Weg zum Standesamt. Der Sohn sagte: „Die Anmeldung mache ich selbst, ich muss das ja auch lernen“. Ich hatte nichts dagegen, so konnte ich einen Kaffee trinken, und mir in einem Plattengeschäft die „Bochum“ von Grönemeyer kaufen.Der Standesbeamte hatte flott gearbeitet, so war auch der Sohn schon fertig, und wir konnten unsere Fahrt gen Heimat fortsetzen. „Wir müssen aber noch bei unseren Verwandten vorbeifahren, um die Ersatzteile für unsere Bohrmaschine zu holen“. Ja, die alte Bohrmaschine war von 1950, und brauchte immer mal wieder einige Ersatzteile. Der im Ort lebende Verwandte, in der auch die Klinik war wo wir gewesen sind, war Elektriker, und wusste wo man die Teile für diese junge Maschine bekam.Als wir bei den Verwandten ankamen, gab es ein großes Hallo, schließlich sah man sich nur sehr selten. Wir mussten unbedingt zum Mittagessen bleiben, der Sohn hatte Sorge ob es seinem Vater recht war. Aber ich zerstreute seine Bedenken, und es hat sich gelohnt, es gab köstliche Frikadellen mit Erbsen und Salzkartoffeln, Mann hatte ich einen Schmacht!Nach einem nicht weniger köstlichen Kaffee verabschiedeten wir uns, und traten endgültig die Heimreise an. „Was soll ich unserm Vater nur wegen der Verspätung sagen;“. „Sag ihm doch, dass wir die vier Mark eingespart haben, die er uns für das Mittagessen mitgegeben hat!“Schließlich erreichten wir den Friedhof, wo wir die ältere Dame noch zurecht machten, dann fuhren wir zur Firma zurück. Der Sohn sagte gleich zum schon auf uns wartenden Vater, das wir die Spesen von vier Mark eingespart hatten, und schon war der Zorn über die Verspätung vergessen.Zu seinem Sohn sagte er „Komm dann hoch, du weißt doch, die Mutti hat Geburtstag, es gibt Kaffee und Kuchen“. Dann wandte er sich zu mit „Jupp, du hat ja bis zum Feierabend noch eine Viertelstunde Zeit, du kannst dann mal die Werkstatt ausfegen, und wenn dann noch Zeit ist, schon am nächsten Sarg mit den Beschlägen anfangen!“ Früher war ich immer mit eingeladen worden, aber seit meinen ketzerischen Verbesserungsvorschlägen war damit Schluss.Ich fuhr mit dem Aufzug nach oben, ja ihr lest richtig, es war richtig durch renoviert worden, was auch bitter nötig war. Gefegt war schnell, aber der Sarg musste noch Löcher haben, leider war die Bohrmaschine noch kaputt, denn der Chef musste die Teile erst einbauen, so war ich gezwungen, noch fünf Minuten herum zu stehen. Jetzt musste man genau berechnen, wann man in den Aufzug steigt und wieder herunterfährt, wehe man ist eine Minute vor Dienstschluss unten!Ich hatte genau richtig gerechnet, um 16:01 kam ich unten an. Obwohl mein Chef ja eigentlich am Kaffee trinken war, stand er wie das jüngste Gericht vor dem Aufzug, und wartet auf diesen Revoluzzer, dass er zu früh Feierabend macht. „Jupp du bist ja wieder pünktlich, und denk daran, nicht wieder soviel von der teuren Spezialseife zu nehmen!“ „So, ich muss wieder hoch zum Kaffee trinken, es gibt diese Mokka Torte, die du immer so mochtest“:„Lassen Sie es sich schmecken, dann bis Morgen!“ Ich lies mir nichts anmerken, und in der Gegenwart dieses verknöcherten Typen schmeckte auch die leckerste Torte nicht mehr so gut.Ich wartete bis er ganz sicher weg war, und ließ meiner kriminellen Ader freien Lauf, ich haute viermal auf den Seifenspender! Mit einem breiten Grinsen ging ich nach Hause, und war froh, dass ich nicht mehr all zu lange in diesem Betrieb arbeiten musste!Jahrzehnte später wollte es der Zufall, das ich durch die Straße musste, wo der alte Betrieb war. Allein äußerlich hatte sich eine Menge getan, so dass ich doch neugierig war. Ich betrat das Geschäft, und der Sohn war anwesend. Bereitwillig zeigte er mir die Firma, in der zweiten Renovierung hatte sich noch mehr verändert, mit eigener Kapelle und vielem mehr. Sogar einen elektrischen Tacker hatte man jetzt, so wie eine neue Bohrmaschine, und sogar einen Akkuschrauber. Aber besonders war er auf die neue Stempeluhr stolz, mit integrierter Funkuhr, die ihr Signal direkt von der Atomuhr in Braunschweig bekam! Wenn einer der Mitarbeiter zu früh stempelte, registrierte die Stempeluhr das automatisch und der junge Chef bekam automatisch eine Mail!Am nächsten Tag konnte der Mitarbeiter dann gleich zum Gespräch antanzen, so modern waren die Zeiten! Außerdem zeigte er mir noch einen voll elektrischen Seifenspender, der nur dann Seife abgab, wenn die Hände einen bestimmten Verschmutzunsgrad hatten. Und dann aber nur die eben benötigte Menge. Drei Mitarbeiter hatte er jetzt, und irgendwie musste man diese Banditen ja bändigen, so meinte er zu mir.Schließlich komplettierte er mich hinaus, mit dem Hinweis das sein Vater heute Geburtstag hätte, und er zum Kaffee trinken müsse. „Übrigens, es gibt diese leckere Mokka Torte, die du früher wo du bei uns warst, so gerne mochtest!“ Ja, manche Dinge ändern sich nicht, ich machte das ich wegkam.Auf dem Rückweg musste ich an den ganzen Schaufenstern vorbei, dort war das Thema „Die Arbeit beim Bestatter“. Nun war auch das Werkzeug ausgestellt, eine alte bekannte traf ich dort wieder, nämlich die alte Bohrmaschine, neben ihr war ein Schild angebracht:“ Viel beweint und unvergessen“. Ich beschleunigte meine Schritte noch einmal und dachte so bei mir, das es gut war hier nicht mehr arbeiten zu müssen!!

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