Ist das Anziehen der Uniform Arbeitszeit?
Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden Württemberg, Urteil vom 28.07.2007 Az: 4 S 1677 /10
-Von POR Michael Wernthaler , Ettlingen
Vorwort :
Der Verwaltungsgerichtshof Baden Württemberg (VGH BW) hatte darüber zu befinden, ob die Zeit für das An - und Ablegen der Polizeiuniform sowie von Dienstwaffe und Schutzweste in den Diensträumen vor Schichtbeginn bzw nach Schichtende Arbeitszeit im Sinne der ar-beitszeitrechtlichen Regelung darstellt und als solche durch den Dienstherren (Land Baden Württemberg – Beklagte) anzuerkennen sein.
Zum Sachverhalt :
Die Kläger sind Polizeibeamte des Landes Baden Württemberg und arbeiten beim PP Mannheim und der Polizeidirektion Tauberbischoffsheim im Streifendienst. Sie leisten hier Wechselschichtdienst im Drei-Schicht-Betrieb. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 41
Stunden und wird durch einen Dienstplan geregelt der einen 24 Stundendienst in drei Schichten mit 5 Dienstgruppen vorsieht. Die Arbeitszeit der wechselschichtleistenden Poli-zeibeamten wird in einem Arbeitszeitkonto (Stundenblatt) geführt.
Die Kläger beantragen für das An und Ablegen der Uniform, Dienstwaffe und Schutzweste jeweils 15 min. je Dienstschicht –somit insgesamt 45 min. je Schichtrunde – Ihren Arbeits-zeitkonten gutzuschreiben bzw. als Arbeitszeit anzuerkennen. Ein Kläger begehrte zudem noch für die Übergabegespräche vor bzw nach dem Dienst, Arbeitszeit anzuerkennen. Das beklagte Land Baden-Württemberg lehnte die Anträge ab. Die nach erfolglosen Wiedersprü-chen erhobenen Klagen wiesen die jeweils zuständigen Verwaltungsgerichte Karlsruhe und Stuttgart ab. Hiergegen erhoben die Kläger Berufung beim VGH BW.
Entscheidungsgründe :
Zunächst stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass es keine Ausdrückliche gesetzliche Regelung gebe, die festlege, ob die für das An und Ablegen der Uniform erforderliche ‚Zeit als Arbeitszeit geregelt werden müsse. Einschlägige arbeitsrechtliche Regelung wäre die Verordnung der Landesregierung über die Arbeitszeit, den Urlaub, den Mutterschutz, die El-ternzeit und den Arbeitsschutz der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter
(Arbeitszeit und Urlaubsverordnung – AzU VO-vom29.11.2005) Der VGH stellt jedoch fest, dass die Verordnung diese Frage auch nicht regelt. Im § 4 AzVO werden lediglich Aussagen bzgl. der regelmäßigen Arbeitszeit der Beamten getroffen. Diese werden im Durchschnitt auf 41 Stunden die Woche Festgeschieben .Eine weitere gesetzliche Ausgestaltung beispiels-weise welche Tätigkeit Arbeitszeit darstellt und welche Tätigkeit nicht, erfolgt jedoch nicht.
Auch die Richtline 2003 /88 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung enthält lediglich Mindestvor-schriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung .Sie verzichtet jedoch darauf konkret vorzugeben, wann die Arbeitszeit beginnt oder endet. Ins-besondere trifft sie keine Regelung zu der Frage ob die Arbeitszeit bereits mit dem Anlegen der Arbeitskleidung beginnt oder mit dem Ablegen dieser endet.
Der Verwaltungsgerichtshof BW stellte abschließend fest dass durch das Fehlen der spezi-algesetzlichen Regelung das beamtenrechtliche Dienst und Treueverhältnis (vgl. Artikel 33
Abs 4 und 5 GG) die rechtlich richtige Beantwortung der streitigen Fragen darstelle.
Festzustellen sei ,so der VGH, dass das Beamtenrecht und das Arbeits- bzw Tarifrecht
unterschiedlich ausgestattet sind. So sei die Pflichtenbindung in die der Beamte im Verhältnis zum Dienstherren steht umfassend. In arbeitszeitlicher Hinsicht beinhaltet die umfassende Pflichtenbindung des Beamten innerhalb des Beamtenverhältnisses u.a. dass er verpflichtet ist ,ohne Entschädigung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies fordern. Des Weiteren steht dem Beamten ein Aus-gleich in Form einer Dienstbefreiung bzw. Mehrarbeitsvergütung erst dann zu, wenn er durch eine dienstlich angeordnete und genehmigte Mehrarbeit mehr als 5 Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht worden ist.
Im Gegenzug dazu wird das Arbeitsverhältnis als privatrechtliche Vertragsbeziehung bis in die Einzelheiten seiner Ausgestaltung durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung geprägt. Das die Arbeitsgerichte deshalb einen Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen für die Zeit des An – und Ablegen der Uniform einen Vergütungsanspruch zusprechen, bzw. Umkleidezeiten als zu vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gehörend ansehen ,rechtfertig daher nicht den Schluss, dass ggfs. auch einem Beamten für das An-und Ablegen der Dienstuniform ein Vergütungsanspruch zusteht bzw die hierfür erforderliche Zeit als Arbeitszeit anzuerkennen ist.
Der VGH BW verwies in seiner Begründung darauf, dass bestimmte Tätigkeiten nicht zum Dienst gehören und damit nicht als Arbeitszeit angerechnet werden können, auch wenn in gewissen Rahmen für diese Zeit Dienstunfallschutz besteht. Der VGH BW benennt als Bei-spiel für seine Rechtsauffassung, die Wegezeiten von und zur Dienstleistung, der tägliche Weg zur Arbeit, auch wenn er durch Verlegung der Dienststelle, Abordnung oder Versetzung
Verlängert wird oder auch die allgemeinen Regelungen für Reisezeiten und Dienstreisen. Diese Beispiele zeigen, so der VGH, das nicht allein schon aus dem Umstand, dass der Klä-ger verpflichtet ist seine Uniform bereits bei Dienstbeginn zu tragen zu schließen ist,
dass die für das An- und Ablegen erforderliche Zeit als Arbeitszeit anzuerkennen ist. Somit ist nicht jede Inanspruchnahme des Beamten durch den Dienstherren Dienst im arbeitsrecht-lichen Sinne.
Des Weiteren verweist der VGH BW darauf, dass das An – und Ablegen der Polizeiuniform
Auch der Interessenssphäre des Beamten dient, denn ihm steht es nach der Anzugsbestim-mung frei, die Uniform auf den Weg von und zu der Dienststelle zu tragen. Er ist berechtigt, die Polizeiuniform mit nach Hause zu nehmen und diese auch ohne Waffe zu tragen.
Macht der Beamte von dieser Möglichkeit Gebrauch, so erspart er sich das An und Ablegen der Zivilkleidung. Eine Verpflichtung zur Aufbewahrung der Uniform in den Diensträumen
Besteht dementsprechend nicht. Das An und Ablegen der Dienstuniform vor Schichtbeginn und nach Schichtende greift auch nur geringfügig in die individuelle Lebensführung des Be-amten ein, es beansprucht ihn nicht mehr als das An und Ablegen der Zivilkleidung. Danach handelt es sich nach Auffassung des VGH BW um eine bloße Vor – bzw Nachbereitungs-handlung zum Dienst.
Die Inanspruchnahme des Klägers bleibt insoweit nach ihrer Eigenart und Intensität deutlich hinter der Heranziehung zum Dienst zurück und stellt sich rechtlich als eine dienstliche An-ordnung gem. § 74 S.2 LBG BW a.F. dar. Nach Auffassung des VGH BW lässt diese
Feststellung es nicht gerechtfertigt erscheinen, die Zeit für das An – und Ablegen der Uniform als Dienstzeit anzusehen oder sie einer Dienstleistung gleichzustellen, denn die dienstliche Inanspruchnahme des Beamten auf Grundlage und im Rahmen einer solchen Anweisung gibt ihm weder einen Anspruch auf Entschädigung noch auf Freizeitausgleich.
Schlussfolgernd stellt der VGH BW in seiner Urteilsbegründung fest, dass, sofern –wie vor-liegend festgestellt-das beklagte Land die Zeit, die für das An und Ablegen der Uniform er-forderlich ist ,nicht als Arbeitszeit i.S.d. §4 AzUVO anerkannt, so gilt dies auch dann, wenn der Beamte sich dafür entscheidet, die Uniform nicht zu Hause , sondern auf der Wache an und abzulegen .Deshalb ist es nicht entscheidend, ob es , wie die Kläger argumentieren - durchaus organisatorische Gründe gibt, die es nahelegen, die Uniform erst unmittelbar vor Dienstbeginn auf der Wache anzulegen.
Achtung !
Diese Feststellung gilt jedoch nicht für das Anlegen entsprechender Sicherheitskleidung für bestimmte Aufgaben (Taucher, Reiter, Kradfahrer) Hier handelt es sich um Tätigkeiten, für deren Wahrnehmung aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen eine besondere, an Stelle der normalen Dienstkleidung erforderlich ist, deshalb ihr tragen zum Kernbereich, der den Beam-ten übertragenen Dienstobliegenheiten zählt. Es wiederspricht somit nicht dem Gleichbe-handlungsgebot (Art. 3 Abs 1 GG) wenn diese Tätigkeiten als Arbeitszeit angerechnet wer-den, während für das An- und Ablegen der Uniform keine Arbeitszeit erkannt wird.
Ausdrücklich weist der VGH BW daraufhin, dass der Sachverhalt völlig anders zu beurteilen ist soweit es um das An und Ablegen der Dienstwaffe und der Schutzweste geht. Bei diesen Tätigkeiten, so der VGH BW, handelt es sich um eine dienstliche Inanspruchnahme, die über die Vorgeschriebene hinaus geht. Dies ergibt sich schon daraus, dass es insoweit- wie auch beim Anlegen anderer Ausrüstungsgegenstände, wie das Gürtelsystem insgesamt, bei der Überprüfung der Waffe oder der Übernahme von Einsatzmitteln – um die Herstellung der Einsatzbereitschaft geht. Das beklagte Land hatte daher zutreffend zwischen der Herstellung der Dienstbereitschaft (als Vorbereitungshaltung) und der Herstellung der Einsatzbereitschaft unterschieden und ausdrücklich festgestellt, dass die Herstellung der Einsatzbereitschaft zur Arbeitszeit zählt.
Das dürfte auch für uns Forenmitglieder von Bedeutung sein
Gruß Horsti